Wie geht`s jetzt weiter?

by | Aug 26, 2024

Wir sind Pawel wirklich zu herzlichem Dank verpflichtet. Er hatte uns schon einmal zu einem Quartier verholfen und es sich sogar nicht nehmen lassen, dort persönlich aufzutauchen und mit uns den weiteren Weg zu besprechen. Und nachdem Bine ihm unser Pech mit meiner Verletzung berichtete, hat er erneut sein Netzwerk für uns ausgeworfen. Binnen weniger Stunden hat er für uns und unsere Tiere einen Platz aufgetan, wie er traumhafter und erholsamer nicht sein könnte: Ein Zimmer mit Toilette, Dusche und allem drum dran. In einer Hütte direkt am See; am See mit eigenem Steg und Zugang zum Wasser! Wer träumt denn nicht schon unter normalen Umständen von so was!? Für uns ein vielfach grösserer Segen. Das Agritouristica von Romuald Jadeszko in Plaska ist keine 5km von meinem „Unglücksplatz“ entfernt, so dass wir einfach unsere Tiere führen und zu Fuss gehen konnten. Denn Reiten hat mir die Tierärztin verboten, obwohl ich es mit sehr gut hätte vorstellen können. Seltsam, nicht? Wir sind hier bei den fürsorglichsten Gastgebern, die man sich denken kann. Ein liebenswerter Ort, an dem freundliche Hunde, Hühner und durchaus wachsame und kampfbereite Gänse ganz selbstverständlich herumlaufen. Wir fühlen uns alle, Mensch und Tier, wohl. Sogar unser Vagahund Bandit findet seine Kollegen so sympathisch, dass er mit Ihnen spielt, was wirklich nicht selbstverständlich ist.

Bella, die Schöne, Bandits Kurschatten

Unsere Gastgeber sind echte Pferdemenschen. Mit „Hand und Fuss“ und ein wenig Hilfe von Google Translator macht uns Romuald klar, dass sie als Familie hier früher bis zu 25 Pferde hatten. Für die Arbeit. Eine Aussage, die uns in der letzten Zeit schon öfter begegnete: Mehrfach haben wir schon erzählt bekommen, das bis vor ca. 15-20 Jahren hier Pferde noch ganz normal als Arbeitstiere täglich eingesetzt wurden und erst heute haben wir ein Verbotsschild für Pferdefuhrwerke auf der Schnellstrasse gesehen. Süffisant meinte Bine dazu: „Also von einem Reitverbot sehe ich hier nichts!“.

Ich finde, man merkt es den Menschen an, dass sie oft noch mit Pferden als Nutztiere Kontakt hatten: Es ist es ohne ein zusätzliches Wort vollkommen klar, dass das geöffnete Scheunentor sofort gegen Zufallen gesichert wird, – damit sich die Tiere nicht erschrecken; – auch dass eine Litze um die neben auf der Weide gelagerten Landmaschinen gezogen wird; -damit sich die Tiere nicht daran verletzen können – so etwas ist eine wortlose Selbstverständlichkeit.

Auch im Strassenverkehr haben wir den Eindruck, dass die Autofahrer ein relativ natürliches Verhältnis dazu haben, wie man sich verhält, wenn Pferde am Wegrand auftauchen. Zumindest bei nahezu allen. Einzelne Deppen gibt es scheinbar überall und haben tendenziell Kennzeichen aus Großstädten, lästere ich gerne.

Aber „einfach“ Führen und hierher gehen? Naja, wirklich einfach war das nicht. Vor allem für Bine. In meinem Arztbericht steht ziemlich deutlich: „Arbeiten mit der linken Hand ist verboten“. Bine nimmt das sehr ernst und verbietet mir so ziemlich alles an Tätigkeiten, auch wenn ich denke: „Dazu brauche ich nicht die betroffenen Finger und die Durchblutung fördern ist sicher auch nicht schlecht“.

Wie auch immer: Ich war daher mehr oder weniger zur Untätigkeit verdammt. Bine hingegen zu massivem Arbeitseinsatz: Alle 4 Equiden putzen, richten, satteln, bepacken …. Vorher Zelt, Schlafmatten und -säcke einpacken… Und natürlich noch die anderen tausendundeine Kleinigkeiten, von denen jeder Wanderreiter weiss, die aber zu kleinteilig sind um erwähnt zu werden und trotzdem gemacht werden müssen; – und auch Zeit und Energie kosten. Bine hatte also schon vor dem Abritt heftig zu tun. Auch die 2 Tage „Rumsitzen“, während ich im Krankenhaus war, war ja für sie sicher auch alles andere als einfach.

Und uns beiden gemeinsam steckte noch die Erschöpfung aufgrund des Schreckens und der Ungewissheit noch in den Knochen. Denn obwohl wir jetzt beide nicht viel zu arbeiten hatten, zehrte das doch ziemlich an den Nerven, was wir aber erst so richtig merkten, als wir zu Ruhe kamen. Daher ruhen wir auch relativ viel und holen die ein oder andere Mütze Schlaf nach.

Mindestens bis zur Nachuntersuchung meines Finger am kommenden Donnerstag dürfen (und werden) wir hier bleiben. Wir schöpfen von Tag zu Tag mehr Hoffnung, dass es weiter gehen kann.

 

Gibt es einen schöneren Platz für den ersten Kaffee?

Aber wie ist dieser unselige Unfall eigentlich passiert? Ganz genau weiss ich das eigentlich auch nicht, da alles so schnell ging. Auf jeden Fall war ich gerade dabei Sati anzubinden als Sati sich vor irgendwas „erschrak“ und einfach zurückwich. Keine Ahnung ob sich jetzt doch einmal eine (schon immer von mir panisch gefürchtete) Schlaufe beim Anbindestrick gebildet hatte… oder ob das Seil sich samt Finger beim Querbalken des Reitplatzzauns zusätzlich verfangen hat: Es war schneller passiert, als man es wahrnehmen konnte: Der Mittelfinger hatte einen offenen Bruch am 1. Glied und der Zeigefinger ebenfalls einen Knacks abbekommen. Auch wenn die Leute hinterher sagten: „Oh, Du bist im Krankenhaus für die armen Leute gelandet“- über die medizinische Versorgung kann und will ich mich nicht beschweren. Das lief (bis auf Wartezeiten aufgrund sprachlicher Missverständnisse) alles absolut professionell ab. Jetzt muss es nur wieder heilen und darf vor allen Dingen wegen des herausstehenden Kirschner- Drahtes nicht nass oder gar schmutzig werden.

Das Trio infernale – Bandit ist zu Recht vorsichtig, die greifen gerne mal hinterrücks an

Die Grenze zu Litauen ist nur noch 30km entfernt. Noch weniger ist es nach Belarus. Kaliningrad haben wir schon links liegen lassen. Wir bekommen von erhöhter Sichtbarkeit von Grenzpolizei erzählt. Ja, wir sehen sie fast täglich hier. Ob es uns aber ohne die Erzählung so auffallen würde, wage ich zu bezweifeln. Wenn unser Track nicht lügt, dann wären es ja „nur noch“ 600km bis zu unserem anvisierten Ziel: Tina bei Riga. Wäre doch zu doof, Tina schon wieder enttäuschen zu müssen. Irgendwie muss das doch zu machen sein!

Wir sind also zum Schlimmsten verbannt, was es für Bine gibt: Nichtstun. Auch wenn wir uns einen günstigen Mietwagen organisiert haben, damit wir nicht vollkommen „in Off“ leben müssen, uns mit notwendigen Einkäufen für Mensch und Tier, mit einer Kajaktour (meine Hand kommt so lange wasserdicht in eine Plastiktüte und Bine freut sich schon jetzt darauf, wenn ich das Klebeband von meinem haarigen Arm abmachen werde!), uns mit

der Pflege unserer Ausrüstung und uns beschäftigen- trotz diesem traumhaften Ort hier- wir würden viel lieber weiterziehen. Und wir sind vorsichtig optimistisch, dass es und gelingen wird.

Aber jetzt müssen wir los. Romuald ruft. Er lässt es sich nicht nehmen und will uns bekochen. Es gibt gefüllte Kohlrouladen mit Kartoffeln. Also auf, wenn das Essen fertig ist, darf man den Koch nicht warten lassen!

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