Neues Land, Neues Glück

by | Jul 10, 2024

Es ist wie verhext, seit unserer Pause in Dubany, wo wir 3 Tage Erholung genießen durften, geht es irgendwie nicht voran. Nicht, daß wir nennenswerte Probleme hätten, aber irgendwie bleiben wir immer wieder «kleben». Es begann ganz harmlos, Bandit hatte sich an der Pfote verletzt und ging am Morgen lahm. So war an ein Weiterreiten natürlich nicht zu denken, und es war auch überhaupt kein Problem, auf der Gemeindewiese eine weitere Nacht zu bleiben. Eigentlich war das unser Glück, denn so kamen wir mit einer Gemeindemitarbeiterin ins Gespräch und erfuhren, daß unsere geplante Route nach Polen, die durch den Nationalpark führte, keine gute Idee war: dort darf man nur auf Straßen reiten, und 30km auf Straßen war für uns keine Option. Also planten wir spontan einen Umweg um den Park herum.

Immer diese Grenzformalitäten!

Endlich in Polen angekommen, wurden wir bereits nach 10km während unserer ersten Graspause von einem Pferdehalter «eingesammelt» – er konnte uns nicht ziehen lassen, ohne uns irgendwie zu helfen. Also gab es erst eine verlängerte Pause an seinem Stall, und aus der Pause wurde recht schnell eine Übernachtung. Es war einfach zu verlockend, diese netten und gastfreundlichen Menschen zu verlassen, um zurück in die brütende Hitze zu reiten.

Aber jetzt wollten wir endlich Strecke machen, schließlich haben wir ja ein Ziel! Ja, wir kamen genau 27km weiter, bevor wir wieder Pause hatten, und diesmal sogar fast eine Woche! Der Grund: mittlerweile sahen auch die Hufeisen der Kabardiner nicht mehr sehr vertrauenswürdig aus, und der Hufschmied sollte erst in einigen Tagen kommen. Wann genau? Keine Ahnung… Aber immerhin wurden wir in dieser Woche von Luisa bestens verwöhnt, und unsere Hütte war äußerst komfortabel!

Abschied von Louisa. Jetzt geht es endlich wieder los! 

Und endlich, am Freitag, war der Hufschmied da, jetzt konnte es endlich wieder voran gehen! Wir hatten über eine polnische Facebookgruppe einige Einladungen bekommen, und die nächste war nur 4 Tagesritte entfernt. Gut erholt und voll motiviert ging es also los. Am zweiten Tag wurde es sehr anstrengend, es war wieder heiß, ein Großteil der Strecke war auf Straßen oder breiten, befestigten Wegen, und wir fanden einfach keinen Platz, wo wir hätten übernachten können. Am Ende waren es dann doch über 30km, als wir auf einem kleinen Gestüt mit Enthusiasmus zum Bleiben eingeladen wurden.

Da wir nun mit 36km nicht mehr viel Strecke übrig hatten, mussten wir uns überlegen, ob wir es doch an einem Tag versuchen, oder ob wir es ruhig angehen lassen. Das Wetter, die Anstrengung des Vortags und eine Burg direkt am Einstieg in unsere weitere Strecke ließen uns schnell entscheiden: es soll gemütlich sein. Ein bisschen wollten wir auch mal Sightseeing machen. Dennoch kamen wir auch an diesem Tag weiter als gedacht, da wir am späten Nachmittag in ein recht großes Waldgebiet kamen, und das musste erst mal durchquert werden, bevor wir eine Chance auf ein Nachtlager hätten. So blieben uns für den dritten Reittag nur noch etwas 10km, was sich schon ein wenig frustrierend anfühlte zunächst. Aber am Ende waren wir froh, daß wir nach der Ankunft und der Versorgung der Tiere noch die Zeit hatten, den kleinen Badesee unserer Unterkunft gründlich zu genießen! Hier ließe es sich wahrlich herrlich Pause machen, aber nein, nicht schon wieder!

Die Frühstücksrunde- und wir gehören wie selbstverständlich dazu!

Spät am Abend ergab sich dann auch schon unser nächstes Zwischenziel, wieder eine Einladung aus der Facebookgruppe, genau in unserer geplanten Richtung. Also quälten wir uns am Morgen aus den Schlafsäcken, obwohl wir am Abend unvernünftig lang am Lagerfeuer gesessen und uns mit anderen Gästen unterhalten hatten. Gegen halb acht hatten wir alles verpackt, und bereits jetzt war es in der Sonne kaum auszuhalten. Eine unserer Gastgeberinnen fragte uns, ob wir wirklich aufbrechen wollen, und nach einem kurzen Check der Wetter-App genügte ein Blick zwischen Konni und mir: 34° bereits am Vormittag, und dann heftige Gewitter. So sehr wir auch voran kommen wollen, nicht nur in unserem Interesse, sondern vor allem wegen der Tiere, allen voran Bandit, heute werden wir nicht reiten! 

Ja, Polen will uns wohl nicht ziehen lassen, aber um ehrlich zu sein, wir genießen Polen gerade in vollen Zügen! Eigentlich hatten wir uns in Tschechien gerade so richtig eingewöhnt, und jetzt sollten wir uns schon wieder umgewöhnen? Aber Polen hat uns mit offenen Armen empfangen. Alleine schon Rafa, er war derjenige, der uns während unserer Graspause Hilfe angeboten hatte. Er und seine Frau hatten entweder das Gefühl, daß wir ein Problem haben, oder sie waren einfach total neugierig auf uns, jedenfalls war es unmöglich, ihre Einladung abzulehnen. Und so saßen wir dann mit ihnen zusammen, die Pferde wurden bestens versorgt, und bekamen unsere ersten Pirogi serviert, hausgemacht von Rafas Mutter, serviert mit einer klaren Rote Beete-Suppe aus der Thermoskanne. Da sowohl er als auch seine Frau Magda fast perfekt deutsch sprachen, haben wir uns lange und ausgiebig unterhalten. Und das nächste Highlight war auch schon das Agroturystyka, bei dem wir auf den Hufschmied warteten.

Atmosphäre hat der Platz ja… und einen besonderen Spassfaktor 😉 

Luiza hat uns 3 leckere Mahlzeiten jeden Tag serviert, uns zum Einkaufen gefahren, uns ihre Waschmaschine zur Verfügung gestellt, und uns regelrecht umsorgt, ohne dabei aufdringlich zu sein. Diese Tage waren Erholung pur, aber natürlich mussten trotzdem die Equiden bewegt werden. Wir haben die Gelegenheit genutzt, daß wir ihren Reitplatz nutzen konnten, und haben ein wenig leichte Gymnastik gemacht, aber dann kam uns eine Idee für einen Ausflug: Auf dem Ritt zu Luiza wurden wir unterwegs gefragt, ob wir aus der Western City kämen. Western City? Etwa eine Art polnische Pullman City? 

Nichts wie hin! Nur 8 Reitkilometer entfernt betraten wir also diese Attraktion, nachdem wir unsere Tiere am dortigen Stall auf einer kleinen Weide «parken» durften. Naja, Pullman City war es nicht, aber wir haben lecker gegessen, ein paar lustige Fotos gemacht, und die Vorführung eines Peitschenschwingers (nennt man das so?) und einen absolut authentischen Banküberfall bestaunen dürfen. Und: Ich habe endlich wieder mal in Cordobes Sattel Platz genommen, da wir ohne Gepäck unterwegs waren!

Am Samstag dann waren wir endlich «back on track», und nach fast 30km kamen wir an ein Dorf, in dem es offensichtlich Vieh gab. Perfekt, und dort nach einem Platz zu fragen. Hinter dem mannshohen Gartenzaun des ersten Hauses hörten wir Stimmen, vom Pferd aus hatte ich einen perfekten Blick auf ein gemütliches Abendessen in einem tollen Garten. Ich rief einen Gruß hinein, und fragte ob jemand Englisch könne, aber stattdessen würde ich auf deutsch zurück gegrüßt. Und so schnell konnten wir gar nicht gucken, wie wir einen Platz für die Pferde auf der von außen nicht einsehbaren, riesigen Wiese hatten und mit einem Teller voll Essen bei unseren Gastgebern am Tisch saßen. Als dann Wind aufkam und erster Donner zu hören war, wollten wir vor dem Regen noch schnell unser Zelt aufstellen, aber kaum war das aus dem Sack, durften wir es auch schon wieder verstauen – ein Gästezimmer mit eigenem kleinen Bad wurde unser Nachtdomizil, und so saßen wir noch eine ganze Weile beisammen, unser Gastgeber, sein deutschsprechender Gast und deren Frauen wollten alles über unsere Tour wissen. Nach einem üppigen Frühstück ging es also gut gelaunt weiter, und dieser Tag hatte es dann in sich. Immer wieder führte unsere Strecke kilometerlang über Asphalt, Alternativen waren nicht zu finden, und als es Abend wurde hatten wir immer noch keine Ahnung, wo wir die Nacht verbringen sollten. Um uns Acker um Acker, dazwischen kleine Waldstücke, oder Brachwiesen, auf denen fast nichts freßbares wuchs. Nach wieder einmal 4km auf einer Straße, ich hatte nebenher die Karte mit Google Maps abgeglichen, ob wir eventuell abseits unseres Tracks bessere Chancen hätten, hatten wir gerade beschlossen, auf einen Feldweg westlich abzubiegen, statt weitere 3km Asphalt zu reiten. Kurz vor dem Feldweg standen am Rand einer Kreuzung ein paar Fahrradfahrerinnen, und spontan fragten wir sie, ob sie eine Idee hätten, wo wir um Unterkunft mit den Pferden bitten könnten. Und ja, sie hatten: genau auf unserem Track, dort, wo wir gerade beschlossen hatten, nicht hin zu reiten, sei ein kleines Gestüt. Also, kurze Graspause für die Laune der Equiden, A…backen zusammenkneifen, und noch etwas Straße. Am Ortsanfang sahen wir den erwarteten Stall, und fragten uns gerade, wo wir jemanden finden können, der zuständig ist, als eine kleine Stutenherde mit Fohlen, geführt von einer ganzen Horde junger Mädchen und begleitet von einem jungen Paar, um die Ecke kam und Richtung Stall strömte. Unsere Rösser waren vor Aufregung kaum zu halten, also schnell absteigen und Ruhe in unsere kleine Herde bringen. Kaum war die Ordnung wieder hergestellt, standen Sebastian, Laura und die Kinder auch schon bei uns, neugierig geworden von unserem Aufzug. Ob sie etwas für uns tun könnten, ob wir irgendetwas bräuchten, war die erste Frage, und völlig unkompliziert wurden wir von allen zu einer tollen Weide im Ort geleitet, für die Pferde wurde zusätzlich Heu und Hafer besorgt, die Wasserwanne auf der Weide gereinigt und neu befüllt, und der Hund gefüttert bis er nicht mehr «Papp» sagen konnte.

Spontane Gastfreundschaft- bei Laura und Sebastian. 

Wir bekamen ein Zimmer und ebenfalls etwas zu essen, und später saßen wir noch lange zusammen. Eigentlich hatten wir gehofft, daß der Besitzer der Pferde (Sebastian gehört nur der Hof), den wir an der Pferdeweide getroffen hatten, auch kommen würde, aber Laura hat ihn entschuldigt: er sei total neugierig auf uns, könne aber kein Wort Deutsch oder Englisch. Dabei hätten wir ihn wirklich gerne kennengelernt. Schon von weitem hatten wir ihn kommen sehen, in perfekter Haltung auf einem großem Schimmel kam er im Trab die Straße entlang geritten und hielt bei uns an. Es war ein Genuß, die beiden zu beobachten, anscheinend ein richtiger Pferdemensch vom alten Schlag. Naja, man kann nicht alles haben. Aber – wir haben ihn dann doch noch getroffen! 

Wir mit allen Tieren in der Burg. Ein besonderes Erlebnis. 

Die Burg oberhalb des Dorfes hatte es uns angetan, zum Teil renoviert, mit Bewirtung, könnte sie doch ein schönes Ausflugsziel sein. Laura hat uns bestätigt, daß wir mit den Pferden bis an die Burg reiten können, und so machten wir uns am Morgen an den Aufstieg. Durch das erste Burgtor konnten wir sogar reiten, und unter ein paar Bäumen fanden wir sogar Anbindebalken. Perfekt! Wir wollten uns abwechseln mit der Burgbesichtigung, ich betrat als erstes den inneren Burghof, während Konni vorerst bei den Tieren blieb. Aber ich hatte kaum den Eintritt bezahlt und begann, mich umzusehen, als ich gerufen wurde. Winkend kam der Herr vom Vorabend, der mit dem Schimmel, auf mich zu. Richtig, Laura hatte ja erwähnt, daß er auf der Burg arbeitet! Kurzum hat er uns das innere Tor geöffnet, so daß wir die Tiere hereinholen konnten. Neben der Folterbank fanden sich Anbindemöglichkeiten, und während Konni sich mit dem Fotoapparat auf die Außenansichten konzentrierte, bekam ich eine exklusive Burgführung von Wielaw, einfach fantastisch! Nach einem leckeren Bigos für uns und einer ausgiebigen Graspause unterhalb der Burg ging es dann endlich wirklich auf die Strecke.

Na? Wer mag sich mit der Burgfäulein anlegen?

Cordobez war von den Foltergeräten nicht sehr beeindruckt. 

Und heute gab es Kiewitt-Adventure-Trails. Der breite, grob geschotterte Wanderweg war furchtbar, also habe ich uns über alternative Wege kreuz und quer in die passende Richtung geführt. Teilweise waren die Wege kaum mehr zu erkennen, aber auf echte Hindernisse stießen wir nicht, wir fanden sogar endlich ab und an Wasser für die Tiere. Allerdings hat uns dieser Spaß Zeit gekostet, und daher waren wir froh, als wir direkt am Waldrand bei einem Bauern einen Platz für alle fanden.

Ja, dank dieses doch recht großen Waldes hatten wir nun also nur noch knapp 10km bis zu Lucja, die uns auf ihr Agroturystyka eingeladen hatte. Wir ließen uns Zeit, wollten nicht unhöflich früh dort auftauchen, aber wir hätten uns darüber nicht sorgen müssen. Lucja und Beata leben und arbeiten hier auf einem Hof mit Pferden, Hunden, Hühnern, einem Schwein und einer Kuh, bauen Obst und Gemüse an, und strahlen eine solche Ruhe und Herzlichkeit aus, es war überwältigend. Gekocht wird vegetarisch, und das extrem lecker! Sie haben den ganzen Tag zu tun, da sie neben dem Hof auch noch die Gäste versorgen, aber man merkt ihnen an, daß sie diese Arbeit mit Leidenschaft und Liebe machen. So fällt es uns (mal wieder) nicht schwer, der Einladung zu folgen, und Hitze und Unwetter hier abzuwarten. Wir helfen Lujca und Beata beim Einkaufen und kochen, ich schaue mir das von Fliegen arg mitgenommene Auge der Kuh an und helfe, die richtigen Medikamente zu holen, und baden noch einmal im See. Die Equiden haben eine 3ha große, unberührte Weide mit Wald, Offenstall und Seezugang für sich, und Bandit kann der Hitze und dem Gewitter gemütlich im gut belüfteten Heustock, wo auch unser Bett steht, aus dem Weg gehen – natürlich erst, nachdem auch er im See schwimmen dürfte.

Suchbild: Ja, unsere Huftiere sind tatsächlich irgendwo auf dieser Weide. 

Ja, Polen ist bisher gut zu uns, und bereits in zwei oder drei Tagen sind wir wieder bei einem Stall, zu dem wir eingeladen wurden. Und die vielen weiteren Einladungen heißt es jetzt sortieren, welche für uns in Frage kommen. 

Im Moment ist unsere größte Sorge, wie wir mit den Pferden über die Weichsel kommen, davor wurden wir explizit gewarnt. Der Fluß ist extrem breit, und die wenigen Brücken sind stark befahren. Aber wenn wir eines gelernt haben seit unserer ersten Tour: Es wird sich fügen!

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