Eigentlich wollte ja Konni den nächsten Blog schreiben, aber die Muse ist eine sehr launische Geliebte, die küßt nur, wenn sie es möchte. Und wir hatten auch wenig Muße, denn wir werden nach wie vor hier in Polen sehr oft eingeladen. Dann sitzen wir am Abend natürlich lange mit unseren Gastgebern zusammen und müssen erzählen, was wir so alles erleben auf unserer Reise. Aber so lang diese Abende oft auch werden, sie sind irgendwie immer zu kurz. Wir treffen so tolle Menschen, und wir würden gerne so viel mehr über sie erfahren. Aber natürlich müssen wir erst mal deren Neugier befriedigen, und oft sind die Gespräche sehr langwierig, wenn wir keine gemeinsame Sprache sprechen und mühsam über den Übersetzer auf dem Handy kommunizieren müssen. Jedes Mal, wenn wir uns am Morgen, meist reichlich übermüdet, verabschieden, ist es daher etwas traurig. Wir lernen Menschen kennen, aber wir wissen so wenig über sie. Wir wollen erfahren worüber sie lachen, was sie traurig macht, was ihnen wichtig ist, worüber sie sich ärgern. Ein Abend ist nicht genug – und doch so viel.
Aber hier, auf dem abgelegenen Agroturystyka Majdan habe ich endlich wieder die Gelegenheit. Wir dürfen hier drei Nächte bleiben. Die Pause war nötig für einen Termin beim Hufschmied, und wir haben einfach noch einen Tag drangehängt, um mal wieder zur Ruhe zu kommen. Unsere Zeit in Polen war zwar geprägt von einer unfaßbaren Gastfreundschaft und Großzügigkeit, aber es gibt hier doch einen Wehmutstropfen, der uns immer wieder vor Probleme stellt: das Heu.
Das war besonders in Westpolen, wo es kaum gutes Futtergras und teilweise überhaupt kaum Gras gab, ein Thema. Denn Heu, wie wir es aus Deutschland kennen, gibt es hier fast nirgends. Die Rundballen werden eigentlich überall im freien gelagert, ohne Abdeckung, und oft auf der blanken Erde. Wir sind schon froh, wenn wir in dem Heu, daß wir füttern sollen, keine dicken Schimmelnester finden. Es ist bei keinem Pferd ein gutes Gefühl, das anzubieten, aber mit Sati, die allergisch auf Schimmelsporen ist, müssen wir leider oft auf Zufütterung verzichten. Zum Glück ist das Heu an unserem jetzigen Quartier in Ordnung, so daß sich unsere 4 richtig satt essen können. Und unser Vorrat an Gerste ist auch wieder aufgestockt – die letzten Körner hatten wir zur letzten Tagesetappen gegeben. Das immerhin bekommen wir überall in rauen Mengen: Hafer oder Gerste.
Gras satt! Verdiente Grasspause bei exakt 2000 km Reisestrecke. Unsere Kumpel zeigen uns täglich neu, wo der Frosch die Locken hat!
Und hier in den Masuren finden wir auch fast überall bestes Gras, man merkt, daß der Boden hier fruchtbarer ist als im Land der endlosen Kiefernplantagen im Westen. Diese Gegend vermissen wir wirklich nicht! Tagelang nichts als Kiefern in Reih und Glied, ein paar Birken und endlose, schnurgerade Sandwege. Ein Traum für lange Galoppaden, für uns gähnende Langeweile und das Problem, über lange Strecken weder Wasser noch Gras zu finden. Aber immer wieder fanden wir doch schöne Ecken und tolle Gastgeber, und wir haben immer alle satt bekommen. Und ab Sagan sind wir quasi auf der Welle geritten – wir wurden von Gastgeber zu Gastgeber weitergereicht, jeder wusste wieder irgendjemanden in unserer Richtung. Und so landeten wir irgendwann bei Gregor.
Gregor sprach nach 33 Jahren in Deutschland perfekt deutsch, und hat sich mit seinem kleinen Hof einen Traum erfüllt. Es ist längst noch nicht alles so, wie er es sich vorstellt, aber er ist fleißig am bauen und renovieren, und man sieht überall sein Auge fürs Detail. 2 Nächte wollten wir hier verbringen, und trotz Gregors mehrfacher Einladung, doch etwas länger zu bleiben, saßen wir pünktlich zum Abritt an Tag 3 im Sattel. Aber nicht lange. Cordobes machte einen etwas müden Eindruck, und stolperte nach ein paar hundert Metern bereits so ungeschickt, daß er fast gestürzt wäre. Nein, so wollen wir nicht weiter. Gregor wartete ohnehin an der Straße auf uns, um uns bei der Überquerung der vielbefahrenen Raserstrecke zu helfen, und mit unserer Bitte um einen kleinen «Urlaub» haben wir bei ihm offene Türen eingerannt. Und eine weitere Idee kam uns auf dieser kürzesten aller unserer Tagesetappen: warum nicht versuchen, einen Transport für uns und die Tiere zu organisieren? Wir könnten ein paar hundert Kilometer einsparen und so den Zeitdruck etwas minimieren, und müssten uns keine Sorgen mehr machen, wie wir wohl die Weichsel überqueren. Zwei ehemalige Gastgeber waren uns hier eine unschätzbare Hilfe: Woitek hat innerhalb weniger Tage einen Transport für uns organisiert, und Marcin einen Stall für die Ankunft. Einen Ort, wo uns Michal von Happy Horse Taxi einladen konnte, fand ich schnell, denn da war doch noch eine Einladung aus der polnischen Facebookgruppe nicht weit entfernt? Es lief tatsächlich wie am Schnürchen, und eine gute Woche später waren wir innerhalb weniger Stunden plötzlich nicht mehr in West- sondern in Nordpolen.
Ein Beispiel was Gregor in 9 Jahren aus dem Hof gemacht hat. Die 1000 Bäume, die er auf seinen 70ha gepflanzt hat, passten, wie vieles andere nicht aufs Bild.
Es ist erstaunlich, wie schnell das geht. «Weit» ist ein Begriff, der sich für uns in den letzten Monaten gewandelt hat. Der nächste Laden ist 5km entfernt? Puh, dann müssen wir halt mit dem leben, was wir haben. Google Maps sagt 50km bis zu dem Stall, in den wir eingeladen sind? Vor übermorgen sind wir nicht da. Können wir mit unseren Tieren die Fähre über die Oder nehmen oder dürfen wir nicht drauf? Wenn es nicht klappt, kostet uns das zwei Tage, da die nächste Brücke 20km Luftlinie entfernt ist.
Marienburg- Zu riesig um auf ein Bild zu passen. Unsere Führung ging 6h und man war noch nicht überall.
Der Pelikan- angablich nährt dieser seine Jungen mit seinem Blut bis er stirbt- und wurde daher als Symbol ausgewählt.
Und jetzt sind wir mit einem Wimpernschlag ganz woanders als am Morgen. Aber wir haben eine Wiese mit mehr als genug Gras für 2 Tage, und so können sich alle von der Aufregung gründlich erholen – und wir mal so richtig Tourist sein.
Wir hatten ja schon das Glück, eine kleine Burg besichtigen zu können, und dank Woitek haben wir an einer Erlebnisführung in einem alten Schloß teilnehmen dürfen, aber hier wartete ein besonderes Schmankerl: wir durften einen alten Vito nutzen, um nach Malbork zu fahren, dort sei eine tolle große Burg. Naja, groß… Eher riesig. Irgendwann wurde mir auch klar, was wir hier für eine Burg besuchen würden: die Marienburg, ehemaliges Hauptquartier des deutschen Ordens. Auch wenn die Autofahrt ohne Tacho und ABS etwas abenteuerlich war, dieser Ausflug war toll. Und etwas später sollten wir wieder an diesen Tag erinnert werden, denn wir haben eine Nacht auf dem Schlachtfeld verbracht, auf dem der deutsche Orden gegen das polnische Heer verloren hat.
Vor den Denkmal, wo wir eine Nacht verbringen durften. Mit Grass satt und sogar eine Hütte war vorhanden 🙂
Dort ist heute eine Gedenkstätte, die selbst unter der Woche und bei nicht sooo tollem Wetter rege besucht wird – und wir waren so naiv, zu denken, daß wir bei diesem Regen bestimmt unentdeckt bleiben würden. Aber es hat sich keiner an unserer Anwesenheit gestört, im Gegenteil, wir brachen nach einem Kaffee am Imbiß mit einer Telefonnummer im Gepäck auf und der Einladung, doch auf eine Nacht zu bleiben, sollten wir mal durch den Osten Polens reiten.
Ja, und jetzt erleben wir also die Masuren. Es gefällt uns hier! Wir finden regelmäßig Wasser, das Gras ist frisch und nahrhaft, und es ist nicht mehr so heiß. Sogar eine Kanutour auf einem kleinen Fluß wurde uns ermöglicht, 13 herrliche Kilometer auf dem Wasser bei bestem Wetter. Und zu einem ehemaligen kleinen Kloster wurden wir gefahren, obwohl wir das auch zu Fuß hätten erreichen können. Die letzten Nonnen sind dort vor einigen Jahren verstorben, aber der Ort wird liebevoll erhalten und ist jetzt der Öffentlichkeit zugänglich. Dort haben wir übrigens unsere erste (und wahrscheinlich letzte) Quittenlimo getrunken. Sehr erfrischend, aber auch sehr gewöhnungsbedürftig…
Wenn man sich zu sehr über Schnacken aufregt, wird man mit «Designer-Kleidung belohnt»… Die einzige Mütze in der richtigen Grösse. Armer Schanchot!
Die vielen Gewässer in den Masuren haben allerdings einen Nachteil: Schnaken. Und die regen die Pferde irgendwie deutlich mehr auf als Bremsen, vor allem Schanchot. Ob es das Geräusch ist? Unser Fliegenspray ist jedenfalls bald wieder leer, mal sehen, wo wir neues bekommen. Morgens sehen Sati, Schanchot und Pablo oft aus wie Streuselkuchen. Nur Cordobes ist unter seiner Fliegendecke zumindest zu großen Teilen geschützt. Zum Glück sind die Quaddeln nach einigen Stunden meist wieder verschwunden, auch die in der Sattellage haben bisher keine Probleme gemacht.
Ja, auch nach mittlerweile über 2000km geht es unseren Tieren und uns gut, und dafür sind wir sehr dankbar. Jeden Tag sind sie aufs neue bereit, uns ein kleines Stückchen weiter Richtung Riga zu begleiten. Wir freuen uns schon jetzt darauf, ein für uns ganz neues Land kennen zu lernen: noch etwa 200km sind es bis Litauen. Ist ja quasi ein Katzensprung 😉
Das Team kurz vor der Nachtruhe.
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