Ist es jetzt vorbei?

by | Aug 21, 2024

Wir wissen es noch nicht. Aber da war diese eine Sekunde, die alles geändert hat. Nach unserem Pausentag haben wir uns hochmotiviert auf den Weg nach Litauen gemacht, etwas über 30km weit kamen wir an diesem Tag trotz der Hitze, alle waren ausgeruht und fit. Einen tollen Platz auf einer großen, fertig eingezäunten Weide für die Pferde bekamen wir fast auf Anhieb, und wir konnten unser Zelt, vor neugierigen Pablozähnen geschützt, hinter einem Holzzaun aufstellen. Eigentlich lief alles toll. Am Morgen hatten wir dann schon alles gepackt, und waren dabei, die Pferde zum Füttern und Satteln an besagtem Zaun anzubinden. Ich war mit Schanchot und Cordobes schon soweit, auch die Kopfsäcke hatten die beiden schon und begannen fröhlich zu fressen. Konni war gerade dabei, Satis Seil zu verknoten, als sie sich vor irgendetwas erschrocken hat und panisch rückwärts rannte. Einen Moment später hörte ich Konni völlig unaufgeregt sagen: «Der Finger ist ab»

Akustisch hatte ich das durchaus verstanden, aber erst als ich sah, wie er das vordere Glied seines linken Mittelfingers wegklappte und es nur noch an einem Rest Haut hing wurde mir klar, daß er es völlig ernst gemeint hatte.

 

Definiton Notfall: Wenn was ab ist, was nicht ab sein soll…

Puh, jetzt die Ruhe bewahren! Unser Gastgeber Lukas war zum Glück noch da, er musste noch zu einem wichtigen Termin, und er hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit Konni so schnell wie möglich in ein Krankenhaus kommt, während ich einen sterilen Verband gemacht habe – und wir hatten so gehofft, daß unser Verbandskasten nie zum Einsatz kommen würde! Irgendwie habe ich es mehr oder weniger zeitgleich noch geschafft, die Pferde wieder auf die Weide zu schicken und Bandit zu sichern und mit Wasser zu versorgen.

Das Problem mit der Fahrt zur Klinik war: wir saßen hier mitten im 

«Nirgendwo», 18km von der nächsten Stadt entfernt, und der Rettungsdienst weigerte sich zu kommen, da die Situation nicht lebensbedrohlich war. Aber Lukas hat tolle Freunde, und einer von ihnen kam sofort, und hat Taxi gespielt. 

Im Krankenhaus dauerte erst mal alles ewig: Anmeldung an der Rezeption, Erstuntersuchung in der Chirurgie, Röntgen, und dann: warten auf den eigentlichen Arzt. Während Konni darauf wartete, endlich versorgt zu werden, hat er mich einkaufen geschickt. Eigentlich völlig irre, einen neuen Gaskocher und Ersatzklamotten zu kaufen, wenn der Finger fast amputiert ist, aber Lukas hat mit mir eine Tour durch Augustow gemacht, bis ich alles hatte. Und wir waren noch nicht zurück, da kam die Nachricht von Konni: er ist jetzt im OP, geht gleich los. Er müsse ohnehin bis zum nächsten Tag bleiben, also solle ich gar nicht erst in die Klinik zurück, sondern zu unseren Tieren. Ja, er hatte ja Recht, aber es fühlte sich miserabel an, sich in ein Taxi zu setzen (Lukas war jetzt auf dem Weg zur Arbeit) und weg zu fahren. Aber Bandit saß ohne Schatten angebunden auf der Wiese, und obwohl es ein bewölkter Tag war, wollte ich ihn so langsam erlösen. Er musste ja wohl auch mal müssen…

Zurück bei den Tieren war ich zum Glück erst mal beschäftigt, habe das Lager wieder aufgebaut, die Einkäufe versorgt und den Pferden frisches Wasser gebracht – was dann auch fast schief gegangen wäre…

Ich war wohl doch etwas durch den Wind, denn eigentlich wußte ich, daß wir das Wasser für die Tiere aus dem Brunnen nehmen sollten. Nur hatte ich den noch gar nicht gesehen, am Abend vorher hatte Konni das Wasser geholt. Ich hatte aber auch in Erinnerung, daß die eigenen Pferde des Hofes aus dem Teich auf der Weide trinken, und habe irgendwie alles durcheinander gebracht. Mit dem 30l-Eimer in der Hand ging ich also auf den schilfumrandeten Teich zu, und Lukas rief noch: «Auf der anderen Seite». Ja, jetzt sah ich dort drüben auch den freien Zugang um Wasser. Also, wie die Pferde es schaffen, dort zu trinken, ist mir ein Rätsel. Ans Wasser kam ich noch, auch wenn ich, barfuß in Gummischlappen, ziemlich 

Warum packst du alles wieder aus?

eingesunken bin, aber OK, kann man ja wieder abwaschen hinterher. Aber als ich versuchte, das Ufer wieder zu verlassen, gingen die Probleme los. Jetzt weiß ich, wie man in einem Sumpf versinken kann. Habe ich den rechten Fuß versucht aus dem Modder zu ziehen, vorzugsweise, ohne den Schuh dabei einzubüßen, sank der linke einen halben Meter tiefer ein. Ich steckte, ehe ich es mich versah, bis über die Knie im Schlamm, mit Tendenz in die Tiefe. Also, egal, dreckig bin ich jetzt eh – ich habe mich nach hinten umfallen lassen, und so konnte ich, ganz langsam und mit Bedacht, Füße, Beine und sogar Schuhe allmählich befreien. Und habe dann Wasser aus dem Brunnen geholt.

Zum Glück hat der nahegelegenen Kanal sauberes Wasser und ist genau so tief, daß ich dort mich inklusive der verschlammten Hose direkt waschen konnte…

Und in der Zwischenzeit kamen auch endlich gute Nachrichten von Konni: die OP war vorbei, der Finger geflickt. Trotzdem wurden mir die Stunden bis zur Nachtruhe lang, so alleine am Zelt. Wie geht es jetzt weiter? Geht es überhaupt weiter? Muß ich mir, wie Konni vor der OP geschrieben hatte, Gedanken machen, ob ich die Reise auch alleine fortsetze? Aber alles Grübeln hat ja jetzt keinen Zweck, wichtig ist jetzt, daß alles gut heilt.

Einsames Abendessen am Lagerfeuer

The day after….

Heute Morgen habe ich ausgeschlafen. Konni nicht, er wurde schon um 4.30h aus dem Schlaf gerissen, Medikamentenausgabe…. Nach der Visite war klar: er darf erst morgen gehen, auch wenn bisher alles super aussieht, aber mit der frischen OP-Wunde wollen ihn die Ärzte nicht ins Zelt zurück schicken… Irgendwie verständlich. Mittlerweile ist Konni aber optimistisch – irgendwie will er es schaffen, weiter zu reiten. Ich melde mich also nochmal bei Pawel, der uns hier in der Gegend schon gute Tips gegeben hatte, ob er eine Idee hat, wo wir mit den Pferden ein paar Tage an einem festen Quartier bleiben könnten, um dem Finger eine Weile Ruhe und vor allem Sauberkeit bieten zu können. Und er hatte! Nur 5km von unserem jetzigen Standort, und auch noch genau auf unserer geplanten Strecke, hat er uns ein Agoturystyka organisiert, das genug Gras und Platz für uns hat. Mein Taxifahrer hat auf dem Rückweg von der Klinik (auch wenn das jedesmal Geld fürs Taxi kostet, ich musste Konni einfach besuchen!) gerne den kleinen Umweg gemacht, und ich konnte mit unseren neuen Gastgebern 

 

alles besprechen. Sobald Konni also morgen bei der Herde ist, werden wir uns auf den Weg machen, damit Konni sich von der OP und wir alle uns von dem Schreck erholen können. Und dann müssen wir einfach sehen, was möglich ist und was nicht. So, und ich finde, jetzt sollte es doch wirklich mal gut sein mit Abenteuer, den Quoten-Notfall der Tour hatten wir jetzt ja.

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