Good Bye Deutschland

by | Jun 10, 2024

Nach den Verwöhntagen bei Monika sind wir nur einen Tag geritten, dann hatten wir schon wieder zwei Tage Pause. Pünktlich zum Kabardinerfest kamen wir Freitag Abend am Gruselsberg bei Tobias und Karin an. Es grenzt ja fast an ein Wunder, daß unser Timing bei dieser Strecke so perfekt gepaßt hat. Am Samstag war der Hauptprogrammpunkt die Vereinssitzung des Kabardinervereins, und wir waren mehr als überrascht, als wir plötzlich Teil des Protokolls waren: Zweck des Vereins ist die Förderung des Kabardinerpferdes, und es wurde einstimmig beschlossen, daß Sati und Schanchot mit der Teilnahme an unserer Tour förderungswürdig sind – wir danken an dieser Stelle ganz herzlich für die finanzielle Unterstützung! Tobias hatte uns ja schon vor zwei Jahren sehr geholfen, als er uns einen Kontakt in Kärnten vermittelt hat. Toll, daß wir über dieses Netzwerk so viel Hilfe bekommen. Wir konnten uns dann ein wenig revanchieren, indem wir am Abend spontan in gemütlicher Runde unseren Vortrag gehalten haben, dank moderner Technik hatten wir ja alles zur Verfügung, was wir brauchten.

Bei gutem Essen und netter Gesellschaft verging der Abend dann wie im Flug. Am Sonntag gab es als Schmankerl ein Seminar zum Training von Distanzpferden, und auch wenn wir für 160km nicht einen Tag, sondern eher sechs brauchen, war es doch interessant, wie man ein Pferd auf eine solche Leistung vorbereitet. So verging das Wochenende wie im Flug, und trotz angekündigtem Starkregen sind wir am Montag gut erholt Richtung Tschechien aufgebrochen.

Mit etwas Motivation hätten wir die Grenze bereits am zweiten Tag überqueren können, aber der Abend bei Michael, Monikas Hufschmied, wurde lang. Sein Vater und er sind eingefleischte Rosserer, und so gab es viel zu erzählen. Da war die Kondition am nächsten Tag etwas beeinträchtigt…. Naja, auf ein paar Stunden soll es nicht ankommen, und auch, daß wir am Dorfladen von Eisenstein, bei der Kramerin, eine Weile aufgehalten wurden, hat uns nicht gestört. Zumal alle Vierbeiner begeistert willkommen geheißen und mit Leckereien gefüttert wurden: die einen mit Möhren, Bananen und Äpfeln, der andere mit Leberkäs. Aber dann rollten wir endlich mit vollen Bäuchen Richtung Grenze! Endlich war es soweit, endlich ging das eigentliche Abenteuer los. Schon auf der Strecke Richtung Eisenstein hatte sich dieses lang vermisste Gefühl von Freiheit eingestellt. Keine Unterkünfte, die man bis zum Abend erreichen muß, keine Termine, keine enge Planung. Nur der grobe Track vor einem und die Neugier darauf, wo wir wohl heute die Nacht verbringen.

Und jetzt ist die erste Woche schon wieder rum. Bisheriges Fazit: es klappt noch, das Wanderreitkarma hat uns nicht verlassen. Und gerade, als unser Zelt und die Schlafsachen so allmählich nicht mehr trocken zu bekommen waren, fanden wir eine feste Unterkunft. Am Telefon würde ich allerdings gewarnt: sehr luxuriös sei es nicht, was sie uns anbieten können…. Naja, Luxus ist relativ. Wir haben feste Wände, Betten mit sauberer Bettwäsche, eine kleine Küche mit Kühlschrank, ein Klohäuschen mit Trockentoilette, eine Outdoordusche mit heißem Wasser, eine riesige Weide für die Pferde, WLan, dürfen Wäsche waschen… Und Gastgeber, die alles, wirklich alles tun, damit es uns und den Tieren gut geht. Wenig Luxus? Ganz im Gegenteil!

Daß es hier auch für unsere Tiere so perfekt ist freut uns sehr, denn die haben uns täglich bewiesen, daß sie die besten Partner sind, die wir uns wünschen können. Besonders Pablo und Cordobes haben mal wieder gezeigt, was in ihnen steckt. Über dem Waldweg lag ein großer Baum quer, so groß, daß nicht einmal der Gedanke an die Klappsäge aufkam. Links dichtes Gestrüpp, rechts junger Wald. Ohne groß Unterholz, aber die Bäumchen standen teilweise sehr dicht. Nun ja, wir hatten keine Wahl, und so ist Konni voraus geritten in das Labyrinth. Immer nach den größten Lücken suchend, ging es kreuz und quer in die angepeilte Richtung. Und dann, kurz vor dem Ende der Umgehung, war sie da: DIE Lücke, die eigentlich zu schmal war. Pablos Packkisten passten zwar gerade so durch, nicht aber die Knoten der Befestigungsseile daran. Jedes Pferd, daß ich kenne, wäre jetzt hektisch geworden und entweder rückwärts oder vorwärts geflüchtet; nicht so Pablo. Kurz blieb er stehen und dachte nach, dann hat er das Problem geschickt mit ein paar kleinen diagonalen Schritten gelöst. Bedenken hatte ich dann, weil die Kisten von Cordobes sogar noch breiter sind. Und Schanchot hat in solchen Engstellen gerne Platzangst, was für meine Satteltaschen nicht immer gesund ist. Ich entschied mich also, abzusteigen. Cordobes habe ich das Führseil am Sattel befestigt, im Vertrauen darauf, daß er uns auch frei folgen würde.

Meinen Russen habe ich geführt, was sich als gute Idee herausgestellt hat, und dann konnte ich zusehen, wie Cordo sich seinen ganz eigenen Weg gesucht hat. Mit einer bewundernswerten Ruhe schlängelte er sich mit seiner breiten Last durch die Bäumchen, und als auch er auf die anscheinend unvermeidliche zu enge Lücke traf, konnte ich kaum fassen, wie intelligent diese Mulis sein können: er ist so in den Zwischenraum, daß die linke Kiste gerade so durch ging, während er mit der anderen vorsichtig einen nachgiebigen Baum beiseite bog, ohne einen Schaden am Material zu verursachen. Dann kam er direkt zu mir und sah mich an als wolle er sagen: «Wo ist das Problem?» In solchen Momenten zeigt es sich: die beiden Mulis tragen nicht deswegen das Gepäck, weil die Pferde besser zu reiten sind, sondern weil das schlauere Tier die schwierigere Aufgabe bekommen sollte….

Aber auch in weniger spektakulären Momenten beweisen alle vier immer wieder ihren Wert. Wenn wir beispielsweise mitten in der Innenstadt einkaufen oder eine Kleinigkeit essen wollen. Angebunden an Bäumen, Laternenpfosten, Straßenschildern oder Zäunen fallen sie sofort in den Ruhemodus, egal wie viele Passanten begeistert ankommen und sich mit ihnen fotografieren lassen oder sie streicheln. Oder als wir mitten im Nationalpark Böhmischer Wald ein kleines Bäumchen auf Brusthöhe über dem eigentlich breiten und gepflegten Weg vorfanden, und ich, als ich abgestiegen war, feststellen musste, daß sich Schanchot kurz vorher an einer Ablaufrinne eines seiner Hufeisen halb abgezogen hatte.

Pragmatisch nutzen wir das Hinderniss als Anbindebalken, und während Konni und ich das Eisen erst komplett entfernten und dann wieder frisch aufnagelten, dösten die anderen Rösser zufrieden im Halbschatten. Daß ihnen im Anschluß der kleine Baum quasi vor die Füße fiel, als wir ihn durchsägten, ließ alle vier völlig kalt. Naja, wenn selbst eine Baumfällung mit dem Ernteroder direkt neben dem Weg ihnen keine Angst macht…

Was wir ja im Moment sehr viel haben ist Wasser. Von oben wie von unten. Klar, kleinere Pfützen auf dem Weg werden in der Regel umgangen, man könnte ja nasse Hufe bekommen. Aber wir können nicht mehr zählen, durch wie viele kleine Furten, über wie viele volle Wasserrinnen, durch wie viele sumpfige Stellen und auf wie vielen zum Bachbett gewordenen Wegen wir geritten sind. Und während dies für Cordobes vor allem zu Beginn der Tour 2022 noch ein riesen Problem war, geht er mittlerweile überall entspannt durch und drüber. Und dann standen wir kurz vor Ankunft an unserem jetzigen Pausenquartier vor unserer ersten echten Furt. Der Weg führte zu einer Brücke, die definitiv nicht für das Gewicht von Equiden ausgelegt war. Aber ein kurzer Blick auf die Karte zeigt, der Abzweig nach links führt zu einer Furt. Naja, hatten wir ja jetzt oft genug, kein Problem. Als wir um die Ecke bogen musste ich dann doch kurz schlucken: kein Bach, sondern ein regelrechter kleiner Fluß lag in unserem Weg, mit einer ordentlichen Strömung. Wie tief? Keine Ahnung, das war nicht zu erkennen. Hilft nichts, werden wir wohl dann merken – vorausgesetzt, die Tiere wagen sich überhaupt hinein… Und dann war alles ganz unspektakulär. Daß die beiden Kabardiner das machen, da hatte ich eigentlich keine großen Zweifel, die mögen Wasser. Aber auch beide Mulis sind uns ohne Zögern gefolgt. Wir mussten dann übrigens tatsächlich die Steigbügel heben, um keine nassen Füße zu bekommen. Schwimmen musste aber nur der Hund, der sich trotz Strömung ins Wasser gewagt hat.

Ja, die neue Herde wird immer mehr zum echten Team, das merken wir von Tag zu Tag. Es ist anders als letztes Mal, das neue Mitglied Schanchot macht einen Unterschied. Aber so langsam ist die neue Routine gefunden, die neue Konstellation hat sich quasi gesetzt. Wenn wir jetzt noch die Morgenroutine optimiert bekommen… Aber das ist ein anderes Thema, für einen anderen, neuen Blog 😉

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