Fast 700km sind wir mittlerweile geritten, und den Hufeisen von Sati und Schanchot sieht man diese Strecke an. Gestern sind wir bei Moni im bayerischen Wald angekommen, und ihr Hufschmied wird heute dafür sorgen, daß die beiden wieder neues Schuhwerk bekommen. Die Eisen der Mulis sind dank Stollen noch einwandfrei, mal sehen, wie lange die noch halten.
Bei Moni können wir uns auch zwei Tage erholen, wir freuen uns riesig, daß wir dieses Jahr bei ihr vorbeikommen. Auf unserer Tour vor zwei Jahren haben wir sie kennengelernt, als sie uns spontan einen Hängershuttle über den frisch verschneiten Paß von Pfunds nach Nauders angeboten hat. Und damals ist sie ja spontan ein paar Tage in Österreich mit uns geritten. Das waren tolle Tage mit ihr, und so waren wir begeistert, als sie vor einer Woche wieder mit ihrem Pferd Johnny zu uns gestoßen ist. Da sie die Strecke schon einmal in umgekehrter Richtung geritten war, konnte ich die Navigation ganz bequem ihr überlassen, und sie hat sogar die Quartiere noch mal eben so vorher organisiert – wir konnten also ein paar Tage ein rundum-sorglos-Paket mit bester Gesellschaft genießen.
Monika hätte übrigens zu keinem passenderem Zeitpunkt bei uns ankommen können. Wir waren gerade auf dem Weg zu meiner Cousine Angela, bei einem Landwirt in ihrer Nähe durften die Rösser nächtigen, als irgendwie alles schief ging. Es war heiß, die Fliegen haben Mensch und Tier genervt, die Strecke durch einen kleinen Ort war stressig. Und als Konni auf einem engen Feldweg wieder aufsteigen wollte und Sati aus irgendeinem Grund scheute, stürzte er. Horrorszenarien von gebrochenen Knochen im Kopf, war ich mehr als erleichtert, als ich Konni stehen sah. Aber wir sind alle keine 20 mehr, und er hat Federn gelassen. Wieder einmal, wie schon mehrfach in unserem ersten Monat unterwegs, kam der Gedanke auf, ob wir überhaupt weitermachen können. Aber wie auch die letzten Male hatten wir Glück im Unglück, und während der nächsten Tage hat mir Monika geholfen, unsere 4 Tiere zu satteln und zu beladen, da Konni trotz Schmerzmitteln nichts Schweres heben konnte. Allmählich wird es jetzt besser, und nach den Pausentagen ist er hoffentlich wieder (fast) wie neu.
Ja, dieses Jahr hatten wir schon in den ersten Wochen geballtes Abenteuer, so langsam dürfte es mal etwas langweiliger werden. Es ist halt jede Tour ein neues Abenteuer, und die neue Herdenkonstellation macht auch einen Unterschied. Jetzt hat nicht nur einer von uns ein Handpferd, sondern wir beide. Eigentlich hatten wir ja wieder vor, alle zwei Tage die Packtiere zu wechseln, aber aus drei Gründen haben wir das bis auf einen Tag nicht gemacht: Zum einen konnten wir durch das zusätzliche Packtiere das Gewicht pro Tier deutlich reduzieren, inklusive Kisten trägt jedes nur etwa 40kg.
Zusätzlich hat sich unsere momentane Konstellation (vorne Konni auf Sati, hinten ich mit Schanchot, die Mulis als Handtiere) super bewährt, alle laufen die meiste Zeit im Pulk ein flottes Tempo. Und die Mulis haben gegenüber den Pferden einen erheblichen Vorteil: Sie passen selbstständig auf, daß sie, wenn es eng wird, mit den Packkisten nirgends hängen bleiben. Das schont Nerven und Material!
Aber auch wenn wir für unseren Geschmack schon ein wenig zu viel Abenteuer hatten für die kurze Zeit, die wir jetzt unterwegs sind, überwiegen doch die schönen Erlebnisse und die Freude an dieser Art des Reisens. Wir haben nicht nur viele lieb gewonnene Menschen wieder getroffen, sondern auch ganz tolle neue Bekanntschaften gemacht. Es würde wirklich ausufern, von allen zu berichten, beispielhaft möchte ich hier einfach mal von einem Quartier erzählen:
Wir waren schon ziemlich müde, der Tag war für alle anstrengend gewesen. Die Nacht davor, die wir auf einer Wiese verbringen durften, war wegen eines heftigen und anhaltenden Gewitters für keinen besonders erholsam gewesen, und wir mussten bei drückender Hitze eine Bahnlinie, eine Autobahn und den Lechkanal überqueren. Die Brücken bzw. Unterführungen zwangen uns zu einigen Umwegen, die Landschaft war uninteressant. So hofften wir auf freundliche Aufnahme, als wir auf dem Weg hinab zu einem kleinen Dorf rechter Hand ein paar Pferde auf der Weide sahen. Als wir allerdings direkt an der Ortsstraße einen Landwirt bei seinen Rindern im Stall sahen, haben wir ihn kurzerhand gefragt, ob er eine Idee hätte, wo wir bleiben könnten. Tja, weiter kamen wir nicht. Wir durften auf einer riesigen Futterwiese auf bestem Gras unsere Koppel abstecken, und auch für uns und Bandit wurde bestens gesorgt.
Nachdem unser Lager soweit stand, durfte ich duschen – in 18 Jahren Großtierpraxis habe ich in so einigen Milchkammern gestanden, aber daß ich mal in einer duschen würde, hätte ich mir nicht träumen lassen! Als ich zurückkam, dachte ich erst, da steigt eine Gartenparty, aber das waren nur unsere Gastgeber, ihre Verwandten und Nachbarn, die sich alle eingefunden hatten, um sich den spannenden Besuch anzusehen und ein wenig zu reden – und um uns Vorräte zu bringen: eine ganze Schubkarre mit Brot, Obst, Hundefutter, Wein und haltbaren Lebensmitteln hatte uns unsere Gastgeberin Conni zusammengesucht, und Bandit kaute bereits auf seinem zweiten Knochen.
Überwältigt von dieser Großzügigkeit gingen wir dann etwas später zum lokalen Griechen, um uns zu stärken. Ein wenig überrascht nahmen wir den schon zum Essen gereichten Ouzo dennoch gerne an, nicht ahnend, daß dies nicht der letzte sein sollte. Nachdem wir mit wohlig gefüllten Bäuchen beim zweiten Bier saßen, kam nicht nur ein weiteres Gläschen, sondern auch ein unverhofftes Dessert, und als wir nach Begleichen der Rechnung gerade aufstehen und gehen wollten, ein drittes Glas. Holla, na, hier ist der Wirt ja großzügig! Nun gut, so schläft es sich bestimmt umso besser, und nach einem kurzen Spaziergang fielen wir erschöpft in unsere Schlafsäcke.
Am nächsten Morgen ging es mit der Grosszügigkeit gerade so weiter. Wir waren kaum aus dem Zelt gekrochen und den obligatorischen ersten Gang (nicht ins Gebüsch!) erledigt und Konni wollte gerade den Gaskocher für einen ersten Kaffee richten, da tauchte unsere Gastgeberin schon mit einem Frühstückstablett auf! Wow, diese Frau beherrscht das Timing! Bei herrlichem Sonnenschein saßen wir also faul auf unseren Faltstühlchen, ließen uns von außen von den Sonnenstrahlen und von innen vom Kaffee und dem wohligen Gefühl, willkommen zu sein, wärmen und sahen unseren Tieren beim Grasen zu.
Schweigend hingen wir beide unseren Gedanken nach, und die waren bei uns beiden dieselben: Genau hier wollen wir einfach sitzen bleiben, wir wollen hier nicht weg, nicht heute! Nur traute sich irgendwie keiner, diesen Gedanken auszusprechen, hatten wir doch schon für den Besuch bei meiner Cousine Angela in wenigen Tagen einen Pausentag eingeplant… Aber irgendwann habe ich es doch gesagt, und Konnis Erleichterung, daß es mir nicht anders ging als ihm, stand ihm ins Gesicht geschrieben. Unseren Gastgeber Peter fand ich im Stall bei seinen Kühen, und er war spontan begeistert davon, daß wir eine noch einen Tag bleiben wollten. Und was war das für ein herrlicher Tag! Bei herrlichem Frühlingswetter konnten wir nicht nur wunderbar faulenzen und uns erholen, wir haben auch unsere Wäsche gewaschen und einige kleinere Reparaturen erledigt, und zum Nachmittagskaffee wurden wie von einer Nachbarin auch noch eingeladen, inklusive extra für uns gebackenen Kuchen.
Am Abend gingen wir wieder zu unserem gastfreundlichen Griechen. Gab es wieder drei Ouzo? Na klar! Der Wirt hat mit uns angestoßen und uns begeistert über unsere Tour ausgefragt. Und als wir vorsichtig gefragt haben, ob wir statt des normalen Beilagensalats je einen kleinen griechischen Bauernsalat haben könnten, kam stattdessen ein riesiger Teller für uns gemeinsam, zusammen mit einer Portion Scampi. Und erneut das leckere Dessert, das wir schon am Vorabend spendiert bekommen haben. Es war sooooo lecker, genau wie die Kalbsleber mit karamellisierten Zwiebeln. Nach all der Schlemmerei und der Großzügigkeit wollten wir uns dann schon persönlich beim Wirt verabschieden und uns bedanken, und als dieser dabei kurz Richtung Trensen flitzte schwante uns übles – ein weiterer Ouzo wäre jetzt wirklich ein bißchen viel….. Wir haben ihn unterschätzt! Mit den Worten: «Irgendwann kommt eine Situation, da braucht ihr ihn!» hat er uns gleich eine ganze Flasche überreicht.
Der Abschied von Gaulzhofen fiel uns am nächsten Morgen aus zwei Gründen schwer: wegen der tollen Menschen, und weil der Ouzo doch noch ein wenig in den Knochen steckte….
A propos Ouzo: 2022 hatten wir ja etwas Bedenken, daß wir in den osteuropäischen Ländern mehr als uns lieb ist zum Konsum hochprozentiger Genußmittel genötigt werden würden, hatten uns schon Ausreden ausgedacht, um dem, wenn nötig, höflich aus dem Weg zu gehen – eine völlig unnötige Sorge, auch wenn es schon das ein oder andere Schluckerl gab, war es nie allzu bedenklich. Völlig unvorbereitet hat uns dieses » Problem» im vermeintlichen Bierland Bayern ereilt, hier haben wir wohl jetzt schon mehr «Kurze» jeglicher Art getrunken als auf der gesamten letzten Reise! Aber zum Glück sind es von hier aus nur noch einige wenige Etappen, bis wir wieder in der tschechischen Republik sind, und wir freuen uns schon wahnsinnig darauf, wieder in dieses Land und weiter nach Polen zu kommen, und damit endlich irgendwie an das Ende unseres letzten Abenteuers anzuknüpfen. Und darauf, diesmal hoffentlich auch ins Baltikum zu gelangen, das ja unser eigentliches Ziel ist. Aber wie sagt unser Wanderreitfreund Gerry einmal: Das ist der Unterschied zwischen einer Reise und einer Anreise. Besser kann man es nicht ausdrücken. In diesem Sinne hoffe ich, noch ganz oft ganz viel von unserer Reise berichten zu können.
Was für eine wunderbare Geschichte und was für wunderbare Menschen in diesem Gaulzhofen. Wie kann es auch anders sein, bedeutet doch «Gaul » soviel wie Pferd. Ihr seid also im Pferdehof gelandet, das muss ja für euch passen. Eure Geschichte bestätigt mir, was ich auf meinen vielen Reisen auch erlebt habe, nämlich dass die Menschen im Grunde gut sind. Eine schöne Reise weiterhin!
Hallo Sabine
Du hattest Geburtstag, alles Gute nachträglich.
Weiterhin einen schönen Ritt.
Gerhard