Eigentlich wollten wir mit dem heutigen Pausentag den angekündigten Starkregen aussitzen, aber jetzt sitze ich auf unserer Station gemütlich im Schatten, den Hund neben mir, und versuche mich aufzuraffen, die anstehenden Arbeiten zu erledigen.
Wir müssen einiges ändern, von der Einstellung der Hinterzeuge bis zur Gepäckorganisation. Dadurch, daß wir die Packkisten diesmal mit Seilen befestigen kommen wir tagsüber nicht an die verstauten Sachen. Also kommt unser persönliches Gepäck jetzt auf die Packtiere, und in die Satteltaschen kommt Proviant, Wasser, Falteimer und anderes, was unter Tag nötig sein könnte. Vor allem der Falteimer muß zwingend greifbar sein, denn Brunnen oder für die Pferde zugängliche Bäche sind auf unserer momentanen Strecke Mangelware. Ja, Pausentage sind eigentlich nur für die Tiere wirklich Pause, wir haben immer zu tun. Trotzdem tut es gut, mal einen Tag nicht unterwegs zu sein. Es war eine anstrengende Etappe seit dem letzten Pausentag. Erst hatten wir kalten Dauerregen, bis sogar die Schlafsäcke und Isomatten nicht mehr trocken waren, dann hatten wir Sorgen wegen unserer Tiere.
Aber von vorne:
Nach den nassen Tagen kamen wir zu einem Wanderreitfreund, der uns auf seinen Hof eingeladen hatte. Dort konnten wir im Schopf und in einer mit Holzofen beheizten Ferienwohnung alles gründlich trocknen und wurden mit leckerem Essen verwöhnt. Auch wenn wir dort nur eine Nacht waren, hat es sich fast angefühlt wie ein Pausentag.
Mit frischen Kräften ging es also weiter, und am späten Nachmittag erreichten wir eine kleine Wanderreitstation, die uns gerne spontan aufnahm. Leider gab es dort keine Weide, sondern nur Gastboxen. Ein Alptraum mit Muli Pablo, der alles versucht, um aus einer Box auszubrechen! Aber für die Mulis gab es dann einen Paddock vor dem Stall, der extra für uns frei gemacht wurde. Aber es war der Wurm drin an diesem Abend. Nach anfänglicher Nervosität haben alle Equiden doch noch angefangen, sich zu entspannen und zu fressen, alle, bis auf Sati. Sie stand fast apathisch in ihrer Box und hat keinen Halm Heu angerührt. Aber so sehr konnte sie doch nicht unter der Unterbringung leiden, daß sie jegliches Fressen verweigerte? Box kannte sie doch… Dann der Schreck: auf einmal lief ihr dicker Schleim aus der Nüster! Umgehend haben wir Fieber gemessen, aber die Temperatur war absolut normal. Die Atmung aber war flach und frequent. Sofort haben wir Sati aus dem Stall in den Paddock zu Pablo gebracht, und Cordobes musste in die Box, wo er sich ohne Zögern über das von Sati verschmähte Heu hermachte. Jetzt war guter Rat teuer. Mussten wir abbrechen? Uns abholen lassen? Denn hier bleiben konnten wir mit Sati auf keinen Fall. Aber erst mal Schadensbegrenzung! Eine schnelle Rechnung im Kopf ergab: unser Vorrat an Kortisontabletten (falls mal wieder ein Wespenstich eskaliert) ist nicht genug für 500kg Pferd. Aber unsere Gastgeber waren unsere bzw Satis Rettung: eigentlich für den Inhalator gedacht, hatten sie Dexamethason zur Injektion im Stall, noch fast voll. Also habe ich mich als Tierärztin geoutet, und durfte mir eine Dosis nehmen. Diese Nacht war nicht sehr erholsam, alle paar Stunden sahen wir nach unserer kranken Stute.
Sati am nächsten Morgen. Noch nicht fit, aber deutlich besser als die Nacht zuvor.
Cordobes fühlte sich in der Box wohl.
Aber am Morgen war klar: es kann weiter gehen. Vom extra für sie ausgelegten bedampften Heu hatte sie zwar kaum etwas genommen, aber sobald wir mit ihr an den Grasstreifen vor dem Hof gingen, fraß sie mit bestem Appetit. Und endlich fing sie auch an, abzuhusten. Natürlich bedeutet das mindestens einen Tag zu Fuß, aber leichte Bewegung und frische Luft sollten ihr am besten helfen. Und so war es auch. Innerhalb von 2 Tagen war Sati so fit wie eh und je.
Tja, ab jetzt fallen Stationen mit Unterbringung im Stall für uns komplett aus…
Lagerplatz- Idylle am Morgen. Sati war hier prächitg genesen.
Daher waren wir froh, als wir am Abend, nach fast 20km Fußmarsch, eine herrliche Wiese zur Verfügung gestellt bekamen. Die Rösser standen fast bis zur Brust im Gras, keine 20m weiter sprudelte eine Trinkwasserquelle, Holz und ein geeigneter Platz für ein abendliches Lagerfeuer und ein pünktlich zur Vesper spendiertes Bierchen vollendeten unser Glück. So darf es weitergehen, dachten wir.
Am Morgen ging es Sati bereits wieder so gut, daß wir immer wieder auch ein Stück reiten konnten, die Wege waren leicht, das Wetter perfekt. Eigentlich ein richtig langweiliger Tag, aber ich dachte so bei mir, daß es gerne ein wenig langweilig weitergehen könnte…. Da hatte ich die Rechnung leider ohne die Pferde gemacht. Der Abend wurde nämlich mehr Abenteuer, als man haben möchte…
Es wurde langsam Zeit, nach einer Bleibe zu suchen. Direkt an unserer geplanten Strecke sahen wir ein Gasthaus namens «Reiterstuben», in einem winzigen Ort. Das müsste doch ein Omen sein, oder? Also hin, und es sah vielversprechend aus: mehrere Weiden, neben dem Gasthaus ein Stall und 2 Pferdehänger, im Biergarten saßen Gäste beim Essen. Leider wurde unsere Bitte um ein Quartier, die die Bedienung für uns bei der Wirtin vortrug, abschlägig beschieden, aber es gab einen Tip: keinen Kilometer weiter sei ein Hof, dort müssten wir doch willkommen sein. Also, weiterlaufen, und sich mit dem Gedanken anfreunden, statt Schnitzel nur Lagernahrung zu bekommen. Schon von weitem hörten wir die angekündigten Pfauen, aufgeregte Pferde galoppierten neben uns über die Weiden. Hier waren wir richtig! Ich war gerade dabei, Konni meine Führseile zu übergeben, um nach den Hof Leuten zu suchen, da brach das Chaos los. Direkt hinter den Kabardinern schrie wieder ein Pfau, und obwohl sie diese Schreie doch die ganze Zeit während unseres Marsch gehört hatten, war das wohl zu viel, sie gingen durch, und rissen die Mulis mit, Herde ist Herde!
Wir hatten keine Chance, sie zu halten. Hilflos mussten wir zusehen, wie die vier im vollen Galopp auf dem Teerweg zurück Richtung Gasthaus geflüchtet sind. Ich habe dort sofort angerufen, aber dort war einfach zu viel Platz, und so konnten sie nicht aufgehalten werden. Ein Nachbar kam uns dann in seinem Geländewagen entgegen und berichtete, daß sie geradewegs durch das kleine Örtchen und Richtung Straße gestürmt waren. Horrorszenarien von in Autos rennenden Pferden im Kopf fuhren wir hinterher, aber zum Glück war die Straße verlassen und leer. Hufspuren zeigten an, daß die Pferde genau den Weg genommen hatten, auf dem wir gekommen waren. Immer wieder stieg ich aus, um eine verlorene Trense oder einen gerissenen Strick aufzusammeln, aber zumindest bisher lag kein Stück vom Gepäck am Boden. Und dann, nach fast 6 km, bekamen wir sie zu sehen: Naßgeschwitzt und müde gingen sie mittlerweile im Schritt, nahmen aber sofort wieder Tempo auf, als sie uns sahen. Nur Cordobes machte einen Versuch, zu uns zu kommen, aber der Herdentrieb war dann doch stärker. Am Ende mussten wir uns vorsichtig mit dem Auto den mittlerweile wieder galoppierenden Flüchtlingen annähern, und konnten uns neben den als Schlußlicht laufenden Cordobes schieben. Aus dem offenen Fenster rief ich ihn und tatsächlich reagierte er auf mich. Er wurde gemeinsam mit uns langsamer, bis ich die Tür öffnen und sein Führseil greifen konnte. Und kaum hatte ich ihn sicher an der Hand, blieben die drei anderen solidarisch stehen. Unser Helfer hat mich dann beim Sichern der kleinen Herde unterstützt, bis der zu Fuß folgende Konni auch bei uns war. Die erste Erleichterung: wir sahen keinerlei offensichtliche Verletzungen, sämtliche Ausrüstung saß noch korrekt, und alle Eisen waren noch da. Soweit, so gut. Und nun? Ein kurzer Check des Standorts zeigt: wieder zum Gasthof war kürzer, als zurück zum letzten Schlafplatz. Wir haben erst ein Stückchen geführt, aber da alle gut liefen, saßen wir bald auf. In flottem Schritt ging es zurück, und da es mittlerweile doch schon spät war, machte ich einen weiteren Versuch bei den «Reiterstuben». Und tatsächlich, als die Wirtin hörte, daß wir nur eine Weide und einen Platz für unser Zelt brauchen, war es überhaupt kein Problem, zu bleiben. Was für eine Erleichterung! Zurück zu den Pfauen hätten wir auf keinen Fall gehen wollen, und jetzt noch weiterreiten und nochmal von vorne suchen war keine angenehme Vorstellung. Also doch Schnitzel, und nach der Versorgung der Tiere tat uns ein Bier heute besonders gut!
Als wir nach dem leckeren Essen im Dunkeln unser Zelt aufgebaut hatten und den Tag noch einmal Revue passieren ließen, erlebten wir einen magischen Moment: der Himmel über uns glühte rot, ein wahnsinnig toller Anblick! Erst am nächsten Tag wurde uns klar, daß wir das Glück hatten, tief im Süden Deutschlands Nordlichter zu erleben!
Am Morgen galt unsere Sorge natürlich den Pferden und Mulis: hatten sie den scharfen Galopp über Teer und Steine gut überstanden? Besonders Schanchot war da unser Sorgenkind, mit zwei ausgeheilten Fesselträgerverletzungen. Aber er lief klar, im Schritt und im Trab, und es war nichts warm oder geschwollen. Auch den anderen ging es gut, und so setzten wir unsere Reise fort, die nächsten Tage mit einem besonderen Augenmerk auf die Fitness der Tiere. Aber es war ihnen wirklich nichts anzumerken, was für eine Erleichterung!
Und daß sowohl die Packkisten als auch die Satteltaschen die wilde Jagd ohne Probleme ausgehalten haben, hat uns gezeigt, daß unser System gut funktioniert. Die verlorenen Trensen waren intakt, sie hatten nur lose über den Sattelhörnern gehangen. Einzig zwei Führseile sind gerissen, und ein paar Fransen von Satis Fliegendecken. Trotzdem können wir auf weitere Abenteuer dieser Art in Zukunft gerne verzichten!
Hallo Ihr Lieben. Wir fiebern mit euch. Es gab Zeiten, da dachten wir unseren Losreiser bekommen wir nie in den Griff. So können wir euch nachempfinden mit welch gewaltigem Cocktail an Emotionen ihr das Szenario durchlebt habt. Welch ein wunderbarer Segen, dass alles so klimpflich ablief. Wahrlich, auf solche unliebsamen «Scherze» können wir alle gern verzichten. Gute Weiterreise. Wir sind mit Herz und Seele dabei.