What a live!

Wir finden immer weniger Brombeeren und Zwetschgen, dafür sind die Hagebutten fast reif. Am Abend packen wir wieder den Wollpulli aus und in den Pausen suchen wir Sonne, nicht mehr Schatten: es wird Herbst. Die Tiere freuen sich, endlich nicht mehr in der Sommerhitze laufen zu müssen. Aber wir kommen morgens kaum aus den kuscheligen Schlafsäcken und brauchen lang bis wir nicht mehr frösteln.

Ein Feuer am Abend und die Abendfrische läßt sich aushalten

Und Herbststimmung bedeutet irgendwie auch Abschiedsstimmung. Der letzte komplette Reitmonat ist angebrochen. Bald müssen wir anfangen den Heimweg zu organisieren. Aber umso mehr genießen wir jetzt jeden Tag, den wir noch unterwegs sein dürfen. Immerhin, noch mehr als ein Monat. Im Vergleich zu unseren bisherigen Urlaubsritten immer noch unglaublich viel Zeit.

Es ist nicht mehr so trocken, wir finden ohne Probleme Wasser und Futter

Nur unser Ziel Riga zu erreichen mussten wir aufgeben. Zu sehr lieben wir es uns am Morgen Zeit zu lassen, in Ruhe Pause zu machen, Zeit mit unseren Gastgebern zu verbringen. Irgendwo in Polen wird die Reise wohl zuende gehen. Wir sind schon gespannt auf das nächste Land. Die Slowakei und Tschechien haben uns ja mit wenigen Ausnahmen absolut verwöhnt, wir hatten traumhafte Wege, oft toll ausgezeichnete Wanderwege – ein wahres Wanderreitparadies.

In der Slowakei stehen, tschechisches Gras fressen – beide Länder haben wir schätzen gelernt

Sogar die Campingplätze die wir fanden waren wie gemacht für uns: kaum Infrastruktur, dafür ungemähte Wiesen und fast nichts los. Und auch sonst stört es hier niemanden wenn wir abends auf irgendeiner Wiese Zaun und Zelt aufbauen.

Ja, das ist ein ganz normaler Campingplatz – Morgenstimmung am See

Die Suche nach einem geeigneten Nachtquartier ist ja irgendwie Dauerthema wenn man nichts vorher planen kann. Ich bin jeden Morgen schon gespannt wo wir am Abend anhalten. Manchmal (sehr selten) müssen wir kurz vor der Dunkelheit noch an einem nicht wirklich idealen Platz den Zaun aufbauen, manchmal sehen wir am frühen Abend den idealen Platz für uns, manchmal fragen wir uns durch bis wir unterkommen.

Auch ein Campingplatz – die Gelegenheit die Schlafsachen wieder richtig trocken zu bekommen konnten wir uns nicht entgehen lassen. Aber es war saukalt!

Und gestern passierte dann mal wieder eines dieser kleinen «Wunder»: wir waren ein wenig von unserer geplanten Strecke abgekommen weil die Markierungen der Wanderwege uns anders führten als auf der Karte angezeigt war.

Der kleine Frechdachs

So kamen wir in ein kleines Dorf, sahen dort Pferde auf der Weide und wollten versuchen, bei den Besitzern der Pferde um etwas Hafer und Mineralfutter zu bitten. Für Feierabend war es noch zu früh, wir hatten erst 15km zurückgelegt. Aber irgendwie konnten wir keinen Hof finden der nach Pferden aussah und trafen auch niemanden, den wir fragen konnten.

Rastplatz mit Quelle in diese Richtung – leider war sie trocken

Also machten wir uns wieder auf den Weg, als auf einmal ein alter Landrover neben uns anhielt. Der Fahrer stieg aus und kam mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht auf uns zu. Leider sprach er so gut wie kein Englisch, aber er hieß uns warten, und kurz darauf kam er mit seinem Sohn zurück, der perfekt dolmetschen konnte. Bevor wir auch nur Luft holen konnten um unser Anliegen vorzubringen waren wir eingeladen zu bleiben, und so begeistert wie Franta war konnten wir einfach nicht ablehnen.

Zufallsfund – passt aber zu der Herzlichkeit mit der wir hier aufgenommen wurden

Er und seine Frau haben sich den Traum vom eigenen Hof erfüllt, halten selbst 11 Pferde, und sind mehr oder weniger Selbstversorger. Auf dem Weg zum Einkaufen erzählt mit Franta dann stolz, daß 2 seiner Pferde Kabardiner sind. Und er kennt sogar Tobias, von dem wir unsere beiden Kabardiner haben. Die Welt ist wirklich klein!

Ein beeindruckender Gartentisch – mit und auf diesem Hof leben Franta und Martina seit etwa 15 Jahren ihren Traum

Wir haben einen wunderbaren Abend bei Franta, Martina und Daniel verbracht, und Hafer bekamen wir natürlich auch.
Nach einem deftigen Frühstück und zu viel Kaffee (gibt es das?) waren wir wieder unterwegs, mit der Bitte doch unseren Lagerplatz am Abend mitzuteilen: Franta würde so ein Lager und die Ausrüstung gerne mal sehen.

Ein wunderschöner Platz, aber noch immer viel Arbeit

Irgendwie wollten wir da natürlich einen tollen Platz vorweisen können – meist geht das ja nach hinten los und gerade dann findet man nichts wirklich schönes. Auf der Karte sah ich in passender Entfernung einen kleinen See, aber das ist ja keine Garantie, daß dort auch ein gutes Stück Wiese ist.

Herbststimmung

Und dann war da 3km vor dem angepeilten Ziel eine Wiese. Mit frischem, halbhohem Gras. Ein offensichtlich lange nicht genutzter und halb eingewachsener Weidezaun auf zwei Seiten. Konni und ich ritten eine Weile an der Wiese entlang bevor Konni aussprach was wir beide dachten: besser wird es heute nicht mehr!

Die drei fühlen sich sichtlich wohl

Also machten wir uns an die Arbeit, und die Koordinaten waren schnell an Franta verschickt. Doch es kam nie eine Antwort. Und dabei hatten wir wirklich schon gehofft Besuch von dieser tollen Familie zu bekommen, denn eines hatten wir kaum: Trinkwasser. Aber dieses Problem konnten wir dank eines nahen Regenwasserfasses und unseres Wasserfilters bald lösen, und als es dunkel wurde brannte neben dem Zelt schon ein gemütliches Lagerfeuer.

Auch ein Hund weiß ein gemütliches Plätzchen am Feuer zu schätzen

Und dann, Konni war gerade am kochen, dachten wir, wir bekommen das erste Mal auf dieser Tour wegen unseres Camps Probleme: ein Geländewagen fuhr an den Pferden vorbei, wurde langsam, wendete und kam über die Wiese neben unser Zelt. Unsere Freude war groß als tatsächlich Franta mit seiner Tochter ausstieg! Und sie kamen nicht ohne Mitbringsel: Tee, Trinkwasser und selbstgemachte Kartoffelpuffer brachten sie mit, und nach einem gemütlichen und lustigen Abend am Feuer gingen sie mit dem Versprechen, am Morgen wieder zu kommen und uns Frühstück über dem Feuer zu kochen.

Was gibt es schöneres als so den Abend zu verbringen?

Ja, und nun sitzen wir vor dem Schlafengehen noch ein wenig zusammen, verbrennen das letzte Holz und genießen einfach das Glück das wir haben. Das Glück diesen Traum erleben zu können, solche Menschen zu treffen, die sich wandelnden Jahreszeiten jeden Tag hautnah zu erleben, nicht zu wissen welcher Wochentag gerade ist: What a live!

Dekorativ, und es schützt das Holz: ausrangierte Tassen sieht man hier zu hunderten auf den Zäunen