Wir werden oft gefragt was das Beste an unserer Reise ist:Es sind die Menschen denen wir begegnen. Ja, viele dieser Begegnungen kosten uns viel Zeit, führen dazu, daß wir nicht so voran kommen wie wir es uns vorgestellt haben, aber die Zeit die wir mit diesen tollen Menschen verbringen dürfen ist so viel wertvoller als das Erreichen irgendeines Zieles.
Wir haben in den letzten knapp drei Wochen viel erlebt: Dürre, Hitze, Gras- und Wassermangel, aber auch den Himmel für Wanderreiter und Dauerregen. Wir sind in brütender Hitze über die schattenlosen pannonischen Ebenen geritten, und tagelang durch schattige Bergwälder, über breite Schotterwege und schmale Trampelpfade. Wir haben an einem Schloß übernachtet und unser Lager bei einsetzender Dunkelheit auf einer abgemähten Heuwiese aufgeschlagen.
Und wir haben enorm viel Gastfreundschaft erfahren. Von ein paar Erlebnissen möchte ich heute einmal erzählen, sie stehen beispielhaft für viele andere!
In Ungarn waren wir gegen Abend auf der Suche nach einer Unterkunft. Ich wusste noch, daß uns jemand auf Facebook eingeladen hatte, aber ich konnte den entsprechenden Beitrag mit dem Kommentar nicht mehr finden. Also doch Klinken putzen… Wir fanden einen kleinen Reitstall, der sich der Working Equitation und der klassischen Reitlehre verpflichtet hat, und Konni ging auf den Hof um um Unterkunft anzufragen. Ich wartete mit den Tieren derweil vor dem Tor. Nach kurzer Zeit kamen Konni und die Hofbesitzerin lachend um die Ecke – es war genau sie die uns eingeladen hatte! So konnten wir uns direkt häuslich niederlassen, die Pferde bekamen eine kleine Weide und Heu, und wir durften unser Lager in der Reithalle, nein, sorry, im Mehrfamilienzelt, aufschlagen. Mehrfach hat Yvonne uns im Laufe des Abends eingeladen gerne auch länger als eine Nacht zu bleiben, aber wir hatten mittlerweile eine Verabredung – dazu später – und mussten in den nächsten zwei Tagen insgesamt 55km zurücklegen. Also hieß es am Morgen früh aufstehen, alles packen, Kaffee kochen und die Tiere beladen. Nur daß wir soweit nicht kamen. Also zum beladen. Denn Yvonne ließ uns förmlich keine Wahl: Das Angebot uns am Nachmittag in die Therme und die Rösser am nächsten Tag mit den Pferdehängern nach Illmitz zu fahren konnten wir einfach nicht ausschlagen! Und so genossen wir ihre Gastfreundschaft und die Therme, ritten am Abend eine Runde auf ihrem Trailparcour, nahmen am nächsten Vormittag ihre Tochter auf einen ausgiebigen Ausritt mit und kamen dennoch pünktlich zu unserer Verabredung.
Achja, die Verabredung: Wer unseren Blog schon länger liest erinnert sich vielleicht, daß wir aufgrund von Neuschnee die Pferde am Reschenpaß verladen hatten. Der Hänger gehörte Monika, die wir bis dato nur über Facebook kannten und die zufällig zeitgleich mit uns in dieser Gegend ein paar Tage reiten wollte. Wir verbrachten in Nauders mit ihr und ihrem Begleiter einen netten Abend, dann ritt jeder seines Weges. Nun waren wir auf dem Weg zu Yvonnes Stall schon den ganzen Tag am Grübeln: Sollten wir auf direktem Weg zum Neusiedler See reiten, oder nehmen wir die Einladung eines ungarischen Reitstalls an, was uns einen Umweg von ein paar Tagen kosten würde? Beide Optionen hatten Vor- und Nachteile, wir konnten uns einfach nicht entscheiden. Da klingelte am späten Nachmittag Konnis Telefon: Monika rief an, sie hätte ein paar Tage frei, ob sie eine kurze Weile mit uns reiten dürfe? Unsere Überraschung war groß, unsere Freude sie wiederzusehen nicht weniger, und so war schnell alles geplant, und uns unsere Entscheidung abgenommen: die Zeit reichte nicht um den Umweg zu reiten und Monika zu treffen.
Die Tage mit ihr und ihrem Pferd Johnny waren toll! Es ist ja immer ein gewisses Risiko mit fremden Reitern unterwegs zu sein, aber es harmonierte bestens zwischen uns, und Monika war wirklich eine angenehme, unterhaltsame und immer gut gelaunte Begleitung. Und das, obwohl sie am ersten Tag von ihrem bockenden Pferd fiel und sich am Arm so blöd verletzte, daß sie zwei Wochen später deswegen ins Krankenhaus musste! Als sie uns nach vier Tagen wieder verlassen musste haben wir sie vermißt…
Unsere ersten Tage in der Slowakei waren ein wahr gewordener Wanderreitertraum: schattige Wälder, immer wieder Lichtungen voll mit üppigem Gras, Quellen mit Trinkwasser, schönste Waldwanderwege. Wir konnten unser Lager aufbauen wo wir wollten, konnten unser Glück kaum fassen. Leider hatten wir die kleinen Karpaten aber bald hinter uns, und die Trockenheit hatte uns wieder im Griff: die Wiesen abgemäht, nichts nachgewachsen, die Quellen vertrocknet.
Es wurde immer schwieriger die Tiere gut zu versorgen. Einmal fanden wir zum Glück einen kleinen Reitstall, wo wir mehr als großzügig mit Futter und Wasser versorgt wurden, aber nach einem Abend, an dem wir erst im Dunklen ein Notquartier auf einer abgemähten Heuwiese errichteten einfach weil wir dort aus einem kleinen Fischweiher Wasser für die Tiere schöpfen konnten beschlossen wir, uns ab jetzt schon am frühen Nachmittag nach einer Bleibe umzusehen. Am nächsten Tag kamen wir durch das Dörfchen Hrachovista.
Hier wollten wir uns im Dorfladen mit Lebensmitteln versorgen, und dann die Augen offen halten nach einer geeigneten Wiese. Mitten auf der Hauptstrasse wurden wir von einer netten Dame angesprochen, die üblichen Fragen nach woher und wohin wurden gestellt, zum Glück konnte sie prima deutsch. Dann verselbstständigten sich die Dinge irgendwie: zuerst bestand Eleonora darauf, uns beim Einkauf zu helfen, dann lud sie uns auf einen Kaffee zu sich ein. Ehe wir uns versahen hatte sie das Stück sattgrüne Wiese hinter ihrem Garten für uns organisiert, und eine Nachbarin bestand darauf uns zum Frühstück auf einen Kaffee einzuladen. Wir konnten duschen (nach einer Woche ohne diese Möglichkeit war das mehr als willkommen) und sogar eine Ladung Wäsche waschen – auch das war mittlerweile dringend nötig.
Eleonora hat uns in dieser unwirtlichen Gegend wirklich zu einem Traumquartier verholfen!
Von Hrachoviste aus waren es nur etwa 20km zu einem der wenigen Reitställe die wir ausfindig machen konnten, und obwohl Reitställe leider selten sehr gastfreundlich sind (ein großes Dankeschön an dieser Stelle an all die Reitställe die es eben doch waren, es gibt sie durchaus) wollten wir unser Glück versuchen. Dort gäbe es immerhin Heu und hoffentlich auch etwas Hafer, denn unser Vorrat war fast aufgebraucht. Und mit etwas Glück könnten wir auch länger bleiben, es war allen anzumerken daß mal wieder ein Pausentag fällig war.
Am Stall sprach leider niemand deutsch oder englisch, aber eine junge Frau, Sarah, die auf ihre Reitstunde wartete, bot ihre Dienste als Dolmetscherin an. Es war unser Glück daß ihre Reitstunde wohl vergessen worden war, sonst wäre sie bei unserem Eintreffen längst wieder weg gewesen. Leider haben wir den Gedanken dort mehrere Nächte zu verbringen schnell aufgeben müssen, unsere Tiere hätten fast durchgehend in Boxen stehen müssen. Eine Nacht geht das, aber länger auf keinen Fall. Aber die nette Sarah hatte schnell einen Plan: Wir durften für drei Nächte ihre Zweitwohnung beziehen, und die Pferde durften auf ihrem noch unbebauten Baugrundstück in der Nähe bleiben. Vom Reitstall dorthin war es nur ein kurzer Ritt von 12km, die wir sogar ohne Gepäck zurücklegen konnten. Drei Nächte in einer Wohnung, mit Küche, Bad und Waschmaschine – Luxus pur! Sogar den dringend benötigten Spiritus für unseren Trangia-Kocher fanden wir hier in Stará Turá endlich, gar nicht so leicht in der Slowakei (danke, Lenka, deine Idee mit dem Baumarkt war Gold wert!).
Und Sarah hat nicht nur uns bestens untergebracht, sie hat viel Zeit und Mühe investiert um unseren Pferden auf der doch etwas kargen Fläche Wasser, Heu und Kraftfutter zu organisieren. So konnten wir gut erholt, mit frisch gewaschener Kleidung und wieder duftenden Schlafsäcken auf ausgeruhten Reittieren in unser nächstes Gebirge aufbrechen, die weißen Karpaten.Nur daß dieser Aufbruch wieder einmal nicht so flott ging wie gedacht, kaum hatten wir Stará Turá hinter uns gelassen wurden wir mal wieder «aufgelesen»: ein älteres Ehepaar beim Autowaschen hielt uns an, sie sprachen sehr gut deutsch, und schon saßen wir bei Kaffee, alkoholfreiem Bier, Keksen und Wassermelone im Schatten und hielten ein ausgiebiges Schwätzchen…Naja, irgendwann hatten wir es dann geschafft, wir waren in den weißen Karpaten. Unser erster Anlauf war direkt deren höchster Gipfel, und die schattigen Waldwege hatten uns wieder. Nicht ganz an der geplanten Strecke, aber auch ohne großen Umweg zu erreichen, fanden wir auf der Karte einen kleinen See. Den wollten wir ansteuern, dort hätten wir auf jeden Fall Wasser, und evtl ja auch etwas Gras. Ja, wir hatten. Direkt am Ufer konnten wir ein Stück Weide abzäunen, mit direktem Zugang zum Wasser für die Tiere. Wir selbst hatten ein ebenes Stück daneben wo wir im mittlerweile einsetzenden Regen unser Zelt aufbauten, und oberhalb des Sees gab es ein paar Häuser, wo wir um Trinkwasser für uns bitten konnten. Bevor wir aber mit unserem Wasserkanister dort ankamen tauchte jemand mit 5l Leitungswasser, einer Flasche Mineralwasser (medium, mein Favorit) und einer Flasche Holunderblütenwasser auf. Und noch bevor wir alle Arbeiten wie Zaun- und Zeltaufbau erledigt hatten bekamen wir noch eine Schüssel hausgemachte Gulaschsuppe mit Brot an den Platz. Wir hatten uns mangels gegenseitiger Sprachkenntnisse zwar kaum verständigen können, aber das tat der Gastfreundschaft der ersten Tschechen, die wir trafen, keinen Abbruch!
Und jetzt, nach drei Tagen Dauerregen, heiß ersehnt und doch ungemütlich ohne trockenes Dach über dem Kopf, sitzen wir urgemütlich unter einem 6x12m großen Zeltdach. Wieder einmal hatten wir unverschämtes Glück und die richtige Begegnung zum perfekten Zeitpunkt. Nach einem späten Start (wir hatten eigentlich vor den angekündigten Starkregen am Sonntag auf einer Waldlichtung auszusitzen und daher keinen Wecker gestellt) in leichtem Nieselregen waren wir noch nicht weit gekommen, als uns auf unserer Karte eine Ecke auffiel, die vielversprechend für ein Nachtlager schien. Ein Campingplatz, ein Restaurant mit Gästezimmern und ein kleiner See kurz hintereinander, da musste doch etwas zu finden sein. Der Campingplatz war dann nur eine gemähte Wiese, darauf ein großes, zu den Seiten offenes Pavillonzelt. Neben dem Platz, etwas hinter Bäumen versteckt, schien aber mehr Gras zu stehen. Ich ging die Lage checken: eigentlich ein perfekter Platz für uns, nicht weit zum Restaurant (dort bekämen wir etwas zu essen, Trinkwasser und Strom), der Bach neben der Zeltwiese führte nach den Regenfällen Wasser, und Gras gab es genug. Aaaaaber: die Zufahrt zum Platz war mit einem Band abgesperrt, darauf stand (Google Translator hilft hier) Zutritt verboten, die Wiese mit Gras war eingezäunt und gehörte zu einem zwar offensichtlich unbewohnten, doch genutzten Bauernhof. Also zogen wir schweren Herzens weiter.
Am Restaurant angekommen waren wir wieder voller Hoffnung, in der Nähe sahen wir viele Wiesen und Weiden wo unsere Reittiere hätten satt werden können. Aber die Wirtin konnte uns keine der Wiesen geben, sie gehörten alle nicht ihr, und über die Besitzer konnte oder wollte sie uns keine Auskunft geben. Die Hoffnung auf eine trockene Nacht im Bett verflog. Wir machten uns auf zu dem kleinen See, doch hier war die Ernüchterung groß: alles Gelände um den See herum war gemäht, und wirkte wie ein Privatgrundstück. Was nun? Erst mal zurück, wir waren weit genug von unserer eigentlichen Richtung abgekommen. Zwischen dem Campingplatz und dem Restaurant sahen wir dann ein Auto stehen neben ein paar kleineren Gebäuden. Wir beschlossen dort zu fragen ob wir eine der Wiesen nutzen dürften. Es war nur leider außer einem knurrenden Hund niemand da, und bei näherem Hinsehen stellten wir fest daß das Auto wohl abgemeldet war. Einen Versuch wollten wir aber noch machen, und da ich in einem der Häuser (wieder ein Stück zurück Richtung See) Licht gesehen hatte ritten wir die paar Meter dorthin. Etwas frustriert waren wir schon als wir auch bei dieser Dame eine abschlägige Antwort bekamen. Sollten wir doch riskieren die Weide auf dem unbewohnten Hof zu nutzen? Da hielt ein Auto neben uns, eine junge Frau sprach uns auf englisch an, und tatsächlich bot sie uns eine Wiese an! Da die Wiese nur gepachtet war wollte sie nur eben den Besitzer informieren, und der tauchte genau in diesem Moment auf. Beide fuhren uns ein Stück vorraus, und wo fanden wir sie wieder? Auf der Zeltwiese! Unsere Befürchtung sie könnten diese völlig abgemähte Fläche für unsere Equiden zur Verfügung stellen wollen wurde schnell zerstreut, hier sollten nur wir ein geschütztes Plätzchen bekommen, die Pferde durften auf die Weide des Gehöfts. Und so steckten wir im hohen Gras die Weide ab, bauten unser klatschnasses Zelt unter dem Zelt auf, und konnten noch gemütlich im Restaurant essen gehen – nur die Hoffnung auf einen frühen Start am folgenden Tag mussten wir begraben, wir wurden von unserer Gastgeberin Clara auf 10.00h zum Frühstück eingeladen. Das Frühstück (bestehend aus einer Sesam-Thunfischtunke fürs Brot und kalten Schafsinnereieneintopf vom Vorabend) zog sich dank der tollen Gespräche mit Clara und ihrem Mann so in die Länge, daß es keinen Sinn gemacht hätte überhaupt noch aufzubrechen.
Aber wie schon gesagt, die Begegnungen mit den Menschen sind es doch, die den Reiz einer solchen Reise ausmachen, und so tut es uns überhaupt nicht leid zugunsten weiterer interessanter Gespräche mit den beiden (wir sind auch zum Abendessen eingeladen worden) einen weiteren Tag zu «verlieren».Diese wenigen Erlebnisse sind wirklich nur einige der aktuelleren, alle aus den letzten knapp drei Wochen. Und nicht alle die wir hatten. Zum Beispiel mussten wir während unserer Zeit mit Monika einen Tag ungeplant aussetzen da Bandit sich mal wieder an der Pfote verletzt hatte, und wurden von unserem Gastgeber Franz spontan auf eine tolle Kutschfahrt mit seinem Zweispänner eingeladen. Und ein wildfremder Mann mit dem wir uns nicht verständigen konnten drückt uns auf einmal eine Flasche Bier in die Hand. Oder wir werden spontan zum Abendessen eingeladen. Oder die nette Tierpflegerin am Schloß bringt uns kiloweise Kraftfutter und drei Sorten Hundefutter ohne daß wir auch nur gefragt hätten – vom Kaffee der am Morgen schon parat stand ganz zu schweigen.
So erleben wir die Menschen seit unserem Aufbruch im Mai – und schon mehrfach hörten wir als Begründung, daß sie selber oder Familienmitglieder in der Vergangenheit enorme Gastfreundschaft im Ausland erfahren hätten und es Zeit sei, daß sie etwas zurückgäben. Eines ist sicher: Wir werden nach dieser Reise viel zurückzugeben haben!